11. Kapitel: Der Nix-Merker

Nach ein wenig Online-Dating Abstinenz wagte ich also wieder einen Blick in mein Postfach.

 

Ich hatte eine Nachricht von einem Typen, der kürzlich in die Nähe gezogen war und nun mit neuem Job auch eine neue Liebe finden wollte. Er arbeite in der Tourismusbranche, war gern an der Ostsee. Klingt auf den ersten Blick sympathisch. Er schrieb relativ viel über sich. Irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl, aber ich wollte nach ein paar Reinfällen nicht allzu skeptisch sein. Ich sagte zu mir selbst: „Gib dir einen Ruck, sei nicht zu misstrauisch und überhaupt: Was hast du zu verlieren? Also antwortete ich ihm. Wir schrieben ein wenig hin und her und bald schlug er vor, dass wir einfach mal telefonieren könnten. Okay, das hatte ich bisher auch noch nicht, aber war doch eigentlich keine schlechte Idee. Sollten wir uns schon am Telefon nichts zu sagen haben oder die Sympathie nicht da sein, könnte man sich ein Treffen ja schon sparen. Wir verabredeten uns also für ein Telefonat. Er rief mich an und ich war schon echt ein wenig aufgeregt. Ich nahm ab und er klang am Telefon sehr sympathisch. Es sprudelte nur so aus ihm heraus und er erzählte und erzählte. Ich fand das erst mal recht entspannt, weil ich so ein wenig entspannen konnte und die Aufregung auch weniger wurde. Außerdem war es ja auch interessant zu hören, was ihn an den neuen Ort verschlagen hat. Ich redete irgendwie sehr wenig, weil er dann gar nicht mehr aufhörte von sich zu erzählen und ich gefühlt schon seine halbe Lebensgeschichte kannte. Vielleicht wollte er mir auch nur die Unsicherheit nehmen, um nicht das Gefühl zu haben, mich mit einem völligen Fremden zu verabreden. Ich erzählte auch noch ein wenig, aber ich hatte noch eine Verabredung mit einer Freundin und wollte das Telefonat nun bald beenden. Wir verblieben, dass wir uns treffen wollten, da wir uns sympathisch waren und wollten uns dazu noch schreiben, wann und wo wir uns treffen wollten. Puh, nach dem Gespräch musste ich erst mal durchatmen. Ich bin ja auch nicht gerade ein stilles Wasser und rede gerne, aber er hatte gefühlt ziemlich Sabbelwasser getrunken. Naja, besser als wenn der Mann mega zurückhaltend ist und man sich peinlich anschweigt.

 

Allerdings hatte ich immer noch ein komisches Gefühl, aber ich konnte dieses Gefühl nicht richtig einordnen. Es gab ja keinen offensichtlichen Grund für dieses Gefühl. Ich versuchte, das Gefühl zu ignorieren.

 

Wir schrieben noch ein paar Nachrichten und verabredeten uns. Wir wollten uns am Strand treffen und er schlug ein Picknick vor. Das fand ich eine sehr nette Idee. Jeder wollte etwas mitbringen und wir würden uns dann auf dem Parkplatz treffen. Es war schon etwas herbstlich, aber wenn wir uns nachmittags treffen wollten, passte das auch mit dem Wetter.

 

Ich erzählte einer Freundin von ihm und von unserem Date. Sie stimmte mir zu, dass das eine total nette Idee von ihm ist. Ich erzählte ihr allerdings auch von meinem komischen Gefühl, das ich immer noch nicht richtig einordnen konnte. Naja, ich wollte mich am Strand mit einem wildfremden Typen treffen…Zu Beginn des Herbstes waren ja auch noch ein paar Leute am Strand, aber ich kannte ihn ja nicht. Vielleicht war auch das einzig und allein verantwortlich für mein Gefühl.

 

Ich wollte mich aber irgendwie sicher fühlen, dass ich auch schnell aus dem Date herauskommen wollte. Das hatte ich vorher noch nie getan, aber bei diesem Date hielt ich das irgendwie für notwendig. Ich verabredete mit meiner Freundin eine Uhrzeit, um die sie mich anrufen sollte. Falls irgendetwas nicht stimmte oder ich entkommen wollte, könnte ich den Anruf nutzen, um das Date schnell zu beenden.

 

Diese Sicherheit stimmte mich etwas ruhiger.

 

20. Dating-Tipp: Organisiert einen Notfall-Anruf, falls nötig.

 

Als Frau finde ich es grundsätzlich in Ordnung sich so einen Notfall-Anruf zu organisieren. Davon ab, dass ihr immer jemanden wissen lassen solltet, wann und wo ihr mit jemandem aus dem Internet verabredet seid. Immerhin kennen wir diese Menschen nicht und etwas Absicherung schadet nicht. Organisiert gerne eine Freundin, die euch zu einer verabredeten Zeit anruft. Wenn alles in Ordnung ist, könnt ihr den Anruf schnell beenden und falls nicht, könnt ihr es nutzen um zu fliehen 😉

 

Das klingt jetzt vielleicht etwas gemein, aber das war tatsächlich das einzige Mal, dass ich mir so einen Anruf organisiert habe. Ich hatte einfach so ein Gefühl…

 

Es kam der Tag des Dates.

 

Ich fuhr also zum Strand und zu dem Parkplatz, wo wir uns treffen wollten. Er war viel zu früh da und schrieb mir auch eine Nachricht. Ich war pünktlich, da musste er wohl ein wenig warten.

 

Als ich aus dem Auto stieg und auf ihm zuging, machte sich schon etwas Enttäuschung bei mir breit. Er war optisch einfach gar nicht mein Typ! Bei der Stimme hatte ich etwas anderes erwartet.

 

Okay, durchatmen! Lass dich drauf ein. Es kann ja ganz nett werden und vielleicht überzeugt er mich ja noch vom Gegenteil.

 

Ich merkte, dass das komische Gefühl wieder da war und ich fühlte mich irgendwie unwohl.

 

Ich versuchte, die Gedanken und Gefühle beiseite zu schieben und wir gingen Richtung Strand und unterhielten uns ein wenig. Wir suchten uns einen schönen Platz, breiteten unsere Decken aus und packten die mitgebrachten Sachen aus und aßen erst mal etwas. Er hatte auch Wein mitgebracht wovon ich nur ein kleines Glas trinken wollte, da ich schließlich noch fahren musste. Vielleicht lockerte dies aber ein wenig die Stimmung, diese war nämlich etwas angespannt. Irgendwie wurde ich nicht entspannter. Die Gesprächsthemen gingen uns auch aus, da ich mittlerweile seine ganze Lebensgeschichte kannte und er mir irgendwie kaum Fragen stellte. Ich meine, er wusste eigentlich kaum etwas von mir und ich hatte auch keine Lust ihm mehr als nötig zu erzählen, wenn es ihn scheinbar nicht wirklich interessierte. Es wurde wirklich sehr anstrengend. Zwischendurch schwiegen wir. Es war dieses unangenehme Schweigen. Wir kennen es alle. Eine vorbeilaufende Möwe wurde dann unser Gesprächsthema. Super! Ich dachte nur bei mir: „Wann ruft denn meine Freundin endlich an?!“ Es kam mir wie eine Ewigkeit vor und ich hatte schon Angst, dass sie mich vergessen hatte. Es war allerdings noch nicht die verabredete Zeit und die Zeit mit ihm zog sich einfach, da wir uns einfach nichts mehr zu sagen hatten und er merkte das rein gar nicht. Mich ärgerte es auch, dass er alles Mögliche von sich erzählte und so gar nichts von mir wissen wollte. Nun wusste ich warum ich so ein komisches Gefühl hatte. Dann stellte er mich doch mal eine Frage: „Hörst du Musik?“ Oh Mann, fast hätte ich ironisch geantwortet: „Nee, Musik finde ich scheiße.“ Was für eine blöde Frage. Durchatmen. Bleibe nett. Ich antwortete also, dass ich gerne Musik höre und auch was und fragte ihn im Gegenzug, was er denn gerne hört. Als er erwiderte: „Ich höre total gerne Matthias Reim.“ War es bei mir endgültig vorbei. Alles klar, wir passen einfach so gar nicht zusammen. Das ist so überhaupt nicht meine Welt und wieder ein Punkt mehr, den wir nicht gemeinsam hatten.

 

Dann endlich: Das erlösende Handyklingeln! Ein Glück, ich wollte einfach nur noch weg. Ich nahm also ab und tat so, als würde sie mir gerade erzählen wie schlecht es ihr ging und ob ich kommen könnte. Ich antwortete so, dass er es hören konnte, dass es überhaupt kein Problem wäre und ich natürlich so schnell wie möglich kommen würde.

 

Er ließ sich irgendwie gar nichts anmerken und mittlerweile glaub ich auch, dass er es wirklich nicht gecheckt hatte. Er reagierte gar nicht auf meinen Anruf. Also sagte ich ihm, dass ich dann jetzt auch losmüsste. Er meinte dann, er hätte ja zwei Gläser Wein getrunken und könnte noch nicht fahren. Ich dachte nur: „Erstens nicht mein Problem und zweitens trinkt man halt auch einfach nicht zu viel, wenn man noch fahren muss!“ Ich wartete noch einen Augenblick und dachte er würde dann auch Anstalten zum Gehen machen. Es entstand aber weder ein Gespräch noch, dass er sich zum Gehen bereit machte. Also sagte ich noch einmal: „Ich muss dann auch los, meiner Freundin geht es wirklich schlecht und ich muss jetzt zu ihr fahren.“ Seine Antwort: „Echt jetzt? Sofort?“ Oh Mann, merkte er denn gar nicht, wie unangenehm die ganze Situation war und dass es mit uns auch überhaupt nicht passte? Ich konnte es einfach nicht fassen. So stumpf kann man doch gar nicht sein! Somit sagte ich also: „Ja, ich muss jetzt sofort los.“ Widerwillig packte er also seine Sachen ein und mir konnte es nicht schnell genug gehen. Er nörgelte noch ein wenig rum, dass er ja noch gar nicht fahren könne. Ich ignorierte das einfach. Mir reichte es einfach. Wir gingen also zum Parkplatz. Natürlich schweigend. Ich hatte jetzt auch keine Lust mehr mich künstlich anzustrengen. Das schwiegen wir eben. Am Parkplatz angekommen, wollte ich mich nur noch schnell verabschieden. Er sagte noch: „Ich fand es total nett und das können wir gerne wiederholen.“ Ich dachte nur: „WAS? Nett? Okay, er merkte wirklich nix!“ Deshalb antwortete ich auch nur: „Ja, wir schreiben.“ Schon war ich in mein Auto gestiegen und fuhr los. Bloß weg hier. Puh, durchatmen. Dann fing ich an zu lachen, weil das Ganze schon echt komisch war und ich so etwas auch noch nicht erlebt hatte. Zuhause angekommen, rief ich erst mal meine Freundin an, die mein Notfallanruf war. Ich klärte sie erst mal über das Date auf und wir mussten so lachen. Sie sagte, dass sie wirklich dachte, ich würde sofort vorbeikommen und dass sie etwas verwirrt war, aber ihr sofort klar war, dass das Date nicht gut lief. Ich sagte nur: „Ich glaube, ich brauche jetzt einen Schnaps!“ Wir lachten und ich ließ mich auf mein Sofa fallen. Das musste ich erst mal verdauen.

 

Ob ich beim Online-Dating wirklich meine bessere Hälfte kennenlernen würde? Im Moment war ich etwas desillusioniert.

 

Ich werde erst mal eine Weile brauchen, bevor ich wieder in mein Postfach schauen werde…Aber man soll ja nie aufhören an das Gute zu glauben.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0